Was nottut

Plädoyer für einen aufgeklärten Konservatismus

Die Werkreihe von TUMULT#09. Hg. von Frank Böckelmann

Broschiert. 176 Seiten
ISBN:
9783948075064
Erschienen:
2020
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7948075064
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Die Demokratie, so entnimmt man dem kurzatmigen Krisengerede, sei eine akut gefährdete und somit besonders zu schützende Spezies. Fahrlässig ausgeblendet wird dabei die Erkenntnis, dass die westlichen Gesellschaften sich seit Jahrzehnten in einer tiefgehenden, geradezu selbstzerstörerischen Krise befinden - haben sie es doch nach den politischen Katastrophen im frühen 20. Jahrhundert versäumt, sich ihrer selbst, d.h. ihrer republikanisch-liberalen Tradition, bewusst zu werden. Die für die Lage Europas so folgenreichen Zäsuren von 1989 oder 2015 sind weitere sinnfällige Wegmarken ihres Dilemmas.

„Konservative unterscheiden sich von den Fortschrittsgläubigen vor allem durch das geschärfte Bewußtsein, daß alle Errungenschaften auf diesem Planeten teuer erkauft wurden, mit hohem Einsatz und Mühe der Generationen vor uns. Konservative lassen diese kulturellen und menschlichen Kosten nicht aus dem kritischen Auge. Sie rechnen mit der Verlierbarkeit aller Dinge, die unser Leben lebenswert machen.“
Egon Flaig

Egon Flaig bezieht Position gegen die fortschreitende gesellschaftliche Fragmentarisierung, genährt von der Verabsolutierung individueller Freiheiten, und gegen die Erosion republikanischer Staatlichkeit durch das unheilvolle Zusammenspiel von globalistischem Kapitalismus und Humanitarismus. Hieraus erwächst dem aufgeklärten Konservativen die Aufgabe, geistige und politische Haltepunkte wieder im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Denn der Konservative ermisst die Verluste, die jeder historische Wandel mit sich bringt, und erkennt die Bedrohung aller Errungenschaften, denen wir unsere politische und kulturelle Selbstvergewisserung verdanken. Skeptisch blickt er auf die emphatisch-aufklärerische Forderung nach uneingeschränkter Toleranz, denn er weiß, dass kulturelle Unverträglichkeiten nicht verschwinden, weil sie nicht in unser Weltbild passen.

Im einleitenden Manifest „Was heißt heute ‚konservativ sein‘?“ und in einer umfassenden Grundlegung des aufgeklärten Konservatismus unter zwölf Aspekten plädiert Egon Flaig für ein gestärktes säkularisiertes Europa. Dessen rechtliche Verfasstheit für ein politisch organisiertes Zusammenleben sieht er durch einen religiösen Fundamentalismus von außen und einen pseudoreligiösen Humanitarismus von innen gefährdet. Beide ideologisch extreme Ausrichtungen unterhöhlen den republikanisch-bürgerlichen Staat und seinen Gemeinsinn; der Staat mutiert zur bloßen Gesellschaft ohne Pflichten und Opferbereitschaft und ohne Verpflichtung zu kultureller Dankbarkeit (als Bereitschaft zu Übernahme und Weitergabe).

 

Egon Flaig, geboren 1949 in Gronau, war bis zu seiner Emeritierung 2014 Ordinarius für Alte Geschichte an der Universität Rostock. Nach seiner Habilitation, die in Buchform 1992 unter dem Titel Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im Römischen Reich erschien, lehrte Flaig an diversen deutschen Universitäten. Darüber hinaus wurde er mehrfach zu Gastprofessuren, unter anderem am Collège de France (bei Pierre Bourdieu), sowie zu Forschungsaufenthalten in renommierten Institutionen, wie dem Wissenschaftskolleg zu Berlin, eingeladen. Seine wissenschaftliche...
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Egon Flaig: „Wir erleben eine Kulturrevolution“

Der Althistoriker Egon Flaig erklärt im Interview, warum eine Entschädigung für die Sklaverei durch den Westen an afrikanische Staaten absurd wäre, weshalb er die Linke für reaktionär hält – und was das bedrohte Erbe der Aufklärung noch retten könnte.


Tichys Einblick: Herr Professor Flaig, in den USA und in Westeuropa werden Denkmäler beschmiert und sogar gestürzt, selbst eines der englischen Königin Viktoria, einer entschiedenen Gegnerin der Sklaverei. Das Schleifen von Denkmalen ist eigentlich eine Geste, wie man sie von Revolutionen kennt. Diese Bewegung hier wird allerdings von großen Teilen des medialpolitischen Establishments wohlwollend begleitet. Wie ordnen Sie als Historiker das ein, was hier gerade vor unseren Augen geschieht?

Egon Flaig:Wir sind Zeugen einer kulturellen Revolution. Diese wird getragen von ganz unterschiedlichen Strömungen. Es handelt sich überwiegend um folgende: Erstens die letzten Trümmer der ehemaligen Linken; diese vertreten heute allesamt ultrarechte Positionen, nämlich Sonderrechte für sogenannte Minderheiten ohne Rücksicht auf die Verfassung demokratischer Staaten, auf die Artikel 1 bis 4 der Menschenrechte und auf die rechtliche Gleichheit in demokratischen Republiken.

Zum anderen die sogenannten Opfergruppen, die unter dem Schlagwort der „Anerkennung“ verlangen, dass ihre Ansprüche in besonderem Maße beachtet werden und dass niemand das Recht hat, ihre Interpretation der Vergangenheit zu kritisieren. Damit hat die schlimmste Fake History in den öffentlichen Raum Einzug gehalten.

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