Augustin Cochin, geboren 1876, fiel 1916 im Ersten Weltkrieg. Er untersuchte mit Akribie die Rolle der „Denkgesellschaften“ und Clubs bei der Genesis der Französischen Revolution, die lange vor 1789 organisiert wurde; seine Leistung liegt dabei auch in der Analyse des Ursprungs der modernen Demokratie.
François Furet hat das Verdienst, Cochins Werk wieder aus dem Schatten geholt zu haben.
Die große Synchronisierung. Von Brocken und Krümeln.
Von Thomas Hoof.
Es ist immer wieder staunenswert, wie alles politische Tun, alles journalistische Meinen und alles Non-Governmentale, scheinoppositionelle Fordern sich in der wertewestlichen Teilwelt zu einem fast völligen Einklang synchronisiert.
Vollbracht werden konnte das nur durch das Wirken eines sehr grundlegenden Mechanismus, den der französische Historiker Auguste Cochin (1876-1916) beim Studium der Französischen Revolution entdeckte. Er nannte es die „jakobinische Revolutionsmaschine“. Sie wurde in Gang gesetzt, als im Zuge der Revolution ein Teil des Kleinbürgertums (die Barbiere, die Winkeladvokaten, die Bankangestellten, die Krämer) zunächst in die Salons und dann aus diesen wieder hinaus in die Volksversammlungen strebten. Sie redeten nicht von Dingen, sondern von Verhältnissen. Sind hatten keine Ideen, aber Doktrinen: „Es ist die Diskussion allein, die verbalisierte Meinung, und nicht der Versuch, dessen Ergebnis eine These verifiziert und beurteilt. Alle finden Geschmack daran und profitieren, weil sich für sie eine Karriere eröffnet, die ihnen die niedere Welt nicht bietet und wo ihre Schwächen zu Stärken werden.“ „Auf der anderen Seite die aufrichtigen und wahrhaftigen Geister, die auf das Solide halten und mehr auf Ergebnisse als auf Meinungen; sie sind hier heimatlos und wenden dieser Welt den Rücken. So eliminieren sich die Widerspenstigen selbst.“ (Cochin). Das überraschende Resultat aus Cochins Analysen: Es handelt sich nicht um eine negative Selektion, sondern um einen rein mechanischen Vorgang wie die Trennung schwerer von leichteren Körpern auf einer Rüttelplatte oder, chemisch gesprochen, um das Ergebnis einer Ausfällung. Die Leute der Arbeit trennen sich von den Leuten des Geredes, die Handfesten von den Maulhelden, die Realisten von den Surrealisten, die Bodenständigen von den Traumtänzern, die schweigsam Tätigen von den schwatzhaft Tatenlosen, die Wirklichkeitsvertrauten von den Wirklichkeitsfremden. Die Montgolfiers, die Lamarcks, die Fouriers, haben sich in ihre Werkstätten zurückgezogen und überlassen den Dantons, den Marats und den Robespierres die Rednerpulte.
Durch die Trennung werde das Maulhelden-Milieu immer reiner und folglich wirklichkeitsfremder. Die Entwicklung treibt den räsonierenden Haufen in eine Gegenrichtung zum realen Leben: „Das Denken verliert zuerst die Sorgfalt, dann nach und nach den Sinn, die Kenntnis des Realen. Es gewinnt in dem Maße an Freiheit, indem es seinen Gehalt an Wirklichkeit verliert“. Cochins Rüttelplatte hat die Brocken von den Krümeln getrennt. Das Unterste ist zuoberst gekehrt. So steht es uns vor Augen: In der Politik sind die Krümel unter sich und auf den Kabinettsstühlen sitzen Frauen, die von ihren Schicksalsmächten mit großer Sorgfalt zu einer Karriere im mittleren Management einer Wäschereiannahmestelle vorgebildet waren. Ein Hoch auf die Krümel.
“Ein ungemein erhellendes Buch zum Wurzelgrund der Französischen Revolution”. – Urs Buhlmann, Tagespost