Zweifellos ist die westliche Welt seit dem radikalen Epochenwechsel 1989 von einer noch tiefergehenden Entzweiung gezeichnet als es uns der medial inszenierte Kulturkampf weismachen möchte. Vielmehr haben wir es mit der scheinbar paradoxen Allianz zu tun, in der sich ein weltumspannender neoliberaler Kapitalismus im Gleichschritt mit einem humanitaristischen Moraluniversalismus eines längst ökonomistisch verbildeten Globalistenlagers zur allmächtigen Instanz erhebt. Letzteres verkörpert dabei idealtypisch jene gewünschten ortlosen, von familialen wie staatlichen Bindungen an Geschichte und Kultur weitgehend losgelösten Individuen. Ihrer einmütigen Losung: »No borders!« wird hier überzeugend die anthropologisch begründete Dialektik von Grenzsetzung und Grenzüberschreitung entgegengestellt.
Dieser Entwicklung förderlich war auch der Wandel im Rollenverständnis der Geschlechter, der zu einer folgenreichen Feminisierung der westlichen Gesellschaften führte. Am deutlichsten zeigt sich das in der konsequent praktizierten Übertragung einer ursprünglich familial geprägten Ethik auf eine abstrakte »Menschheit«. Die damit verbundene Idealisierung des Fremden geht einher mit einer fast schon pathologisch anmutenden Abwertung des Eigenen und traditioneller kultureller Prägungen. Diese bewusste Selbstschwächung des säkularen Westens bietet somit einer politischen Religion wie dem Islam durch gewährte Masseneinwanderung aus islamischen Ländern eine geradezu fahrlässige Einflussnahme, die wenig integrativ uns mit neuen Formen des Antisemitismus und rückschrittlichen Haltungen konfrontiert.
Friedrich Pohlmann zeichnet präzise jene einwirkenden Kräfte nach, die zur sozialen und mentalen Transformation der Weltbilder im Westen und mit kompensatorischer Schärfe in Deutschland geführt haben. Gerade der allgegenwärtig eingeübte Konformismus aus Furcht vor gesellschaftlicher Ächtung durch ein Sprachregime politischer Korrektheit - mit ihrer Instrumentalisierung alles Minoritären - erfordert Mut im physischen wie moralischen Sinn. Der Autor erweist sich dabei als entschiedener Vertreter der parrhesia, der mutigen öffentlichen Rede. Widerstand zu leisten, besonders in der gegenwärtigen Situation eines quasi Ausnahmezustandes im »Reich der großen Lüge«, erscheint ihm als unabdingbares bürgerrechtliches Gebot.
Friedrich Pohlmann, geboren 1950 in Bielefeld. Ab 1968 zunächst Musikstudium mit Hauptfach Violine in Hannover und Freiburg, später Soziologie und Geschichte in Freiburg. Nach der Promotion 1979 über Georg Simmel zehn Jahre Assistent von Heinrich Popitz am Freiburger Institut für Soziologie. 1990 Habilitation, Tätigkeit ebendort als Hochschul- und Privatdozent. Seit 2003 freier Autor. Zahlreiche Veröffentlichungen unter anderem auf den Gebieten der Diktaturtheorie, der Sozialisationstheorie und der anthropologischen Soziologie sowie eine Vielzahl kulturtheoretischer Rundfunkessays, vornehmlich für den SWR....
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